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Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass öffentliche Medien in den Nachbarstaaten Polen und Ungarn zunehmend als verlängerter Arm der jeweiligen Regierungen fungieren, geben auch kürzliche Änderungen in der Leitung des Senders Radio Television Slovakia (RTVS) Anlass zur Sorge, dass sich die Dinge auch hier zum Schlechten wenden könnten.

Infolge eines politisch brisanten Auswahlverfahrens übernahm Jaroslav Rezník im August die Geschäftsführung des RTVS. Rezníks Amtszeit als Leiter des slowakischen Radios und als Beauftragter des halbautoritären, mächtigen Premiers Vladimir Meciar als auch seine kontinuierlichen, engen Beziehungen zu der nationalkonservativen Slowakischen Nationalpartei (SNS) geben besonderen Grund zur Sorge. Er übernahm die Leitung von Václav Mika, der für eine zweite fünfjährige Amtszeit zur Auswahl stand und dem das Verdienst zuzusprechen ist, RTVS auf den richtigen Kurs gebracht zu haben, da sowohl die Einschaltquoten als auch das öffentliche Vertrauen in die Berichterstattung während seiner Amtszeit signifikant gestiegen sind.

„Wenn man sich vor Augen hält, dass die Nachrichten unter Mika objektiver und vertrauenswürdiger wurden, gab es eigentlich keinen bestimmten Grund für eine Veränderung – ganz im Gegenteil“, so Rasťo Kužel von der in Bratislava ansässigen NGO Memo 98, die für Medienüberwachung zuständig ist. „Rezník hat jahrelange Erfahrung als ,Ja‘-Sager“.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk steht in einem harten Wettbewerb zum slowakischen Privatsektor, einschließlich des 24-Stunden Nachrichtensenders TA3, gehört aber laut Meinungsumfragen zu den vertrauenswürdigsten Informationsquellen des Landes. Bis Mitte September hatte Rezník bereits seine Präferenz deutlich gemacht, als er den Leiter des Nachrichtendienstes des RTVS vertrat.

„Rezník arbeitet schon seit 20 Jahren als Chef in der Medienbranche, versteht jedoch immer noch nicht, dass Nachrichten unabhängig sein sollten“, sagt Miroslava Kernová, Chefredakteurin der Nachrichtenmedien-Webseite Omediach.com und eine der prominentesten Rezník-Kritikerinnen.

Rezník erhielt die Stelle durch einen Mehrheitsbeschluss im Parlament im Juni. Während ihm sowohl die regierende Smer-Partei des Ministerpräsidenten Robert Fico als auch die Nationalpartei SNS von Anfang an den Rücken stärkten, so vollzog der dritte Koalitionspartner der Regierung, die Mitte-Rechts-Partei Most-Híd, einen überraschenden Sinneswandel, als sie für Rezník stimmte.

„Die besten Ex-Diebe sollen angeblich auch die besten Vermögensschützer sein”, sagt Most-Híd-Parteivorsitzender Béla Bugár damals der Tageszeitung Sme und bezog sich damit auf Rezníks Vergangenheit als Teil der pro-Mečiar-Informationsmaschinerie.

Rezníks Macht wird zwar durch einen neunköpfigen RTVS-Vorstand kontrolliert – diese Mitglieder werden aber ebenso von einer einfachen Mehrheit von Parlamentsmitgliedern gewählt. Laut den RTVS-Statuten müssen Vorstandmitglieder ein gewisses Maß an Fachwissen aufweisen können, aber das Risiko einer politisch motivierten Wahl von Vorstandsmitgliedern bleibt bestehen.

„Erfolgt die Abstimmung im Parlament, so ist sie nie unabhängig”, so Kernová.

Kužel führte Bugars Meinungsänderung auf “pures, kalkuliertes Eigeninteresse“ zurück, um sein Ansehen in der Regierung aufrechtzuerhalten. Unterdessen behaupten politische Analysten, dass Rezník ein enger Verbündeter der SNS sei und verweisen darauf, dass die SNS, während Rezníks vorheriger Position als Leiter der staatlichen Nachrichtenagentur TASR, eine freundliche Berichterstattung bekam, die in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Einfluss der Partei stand.

Die Parteispitze der SNS zeigte auch eine ablehnende Haltung gegenüber RTVS, indem Vorsitzender und Parlamentspräsident Andrej Danko vorschlug, die Lizenzgebühr, die die Slowaken und Slowakinnen zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Senders zahlen müssen, abzuschaffen – ein Schritt, der eine Finanzierungskrise hervorrufen könnte und die Nachrichtendienste zwingen würde, Kosten einzusparen und somit auch die Kontrollfunktion des RTVs schwächen würde.

Im Vorfeld der Regionalwahlen im November bereiten sich Medienbeobachter darauf vor, die Berichterstattung des RTVS in den kommenden Wochen zu zerpflücken. Die Sorge, dass nicht der berufliche Verdienst, sondern politische Beziehungen Rezník den Job eingebracht hatten, sind so groß, dass sogar der Kulturminister der Regierung, Smer’s Marek Maďarič, vorschlug, das Auswahlverfahren dahingehend zu ändern, dass es von einem unpolitischen Wahlvorstand geleitet wird. Bis jetzt wurde seit Rezniks Berufung jedoch noch wenig unternommen, um das Auswahlverfahren zu verbessern.

In einer Zeit, in der durch von Russland gestützte Medien und Propaganda Unruhe in der Region erzeugt wird, erscheint Rezník als ungewöhnliche Wahl.

„Vielleicht war er sich [Sputniks Ruf als Kremlin-Sprachrohr] nicht bewusst, was schlecht ist, oder es könnte auch sein, dass er im Namen einer anderen Person politisch handelte, was sogar noch schlechter wäre“, sagt Kužel.

Zusammen mit dem verbesserten Ruf, den sich RTVS in den letzten Jahren aufgebaut hat, kommen die Änderungen auch zu einer Zeit, in der sich die slowakische Regierung augenscheinlich vom derzeitigen illiberalen Regierungsstil Polens und Ungarns zu distanzieren versucht. Premierminister Robert Fico hat mit Nachdruck darauf bestanden, dass sein Land – ein Schengen- und Eurozonen-Mitglied – inmitten einer kommenden Neuausrichtung der Europäischen Union weiter im europäischen Strom schwimmt. „Die Grundlagen meiner Politik entsprechen weitgehend jenen des [EU]-Kerns, jenen Frankreichs und auch Deutschlands“, sagte Fico im August 2015.

Die Entscheidung für Rezník scheint derzeit Berichten zu widersprechen, Fico würde sich in eine Art liberalen Internationalisten verwandeln. Gleichzeitig ist die politische Macht in der Slowakei breiter gestreut, wenn man die Einparteienherrschaft in Ungarn und Polen als Vergleich heranzieht. Das Land wird von einer Dreier-Koalition regiert und obwohl private Medien auch mit Herausforderungen durch u.a. konzentrierte Besitzverhältnisse konfrontiert sind, bleibt der öffentliche Diskurs relativ facettenreich und lebhaft.

„In Ungarn und Polen versuchen die amtierenden Regierungen ganz klar, das System der gegenseitigen Kontrolle zu schwächen, und öffentliche Medien fungieren nicht als Kontrollorgane“, sagt Kužel und erklärt, dass Bedrohungen der Medienunabhängigkeit in der Slowakei nicht annähernd so akut sind.

Gleichzeitig dient Rezník als eindringliche Warnung, dass jegliche Verbesserungen der letzten Zeit in den öffentlichen Medien in Gefahr sind.

„Fico findet die Idee, dass öffentlich-rechtliche Sender kritische, investigative Nachrichten verbreiten, befremdlich. Es gebe ein völliges Unverständnis bezüglich der Rolle, die ein öffentlich-rechtlicher Sender in einer modernen Gesellschaft einnehmen sollte“, schlussfolgert Kužel.

Aus dem Englischen übersetzt von Katja Deinhofer.