Auf der einen Seite: „Wir haben genug von Trzaskowskis Heuchelei”, „Das unsaubere Spiel der Gegner des Präsidenten”, „Trzaskowski führt eine Lügenkampagne?” und „Trzaskowski wird den Polen ihr Geld wegnehmen?”
Auf der anderen Seite: „Präsident verteidigt polnische Familien”, „Duda: Ich setze auf eine pro-polnische Politik” und „Dudas Plan: Polens rasante Entwicklung”
All das sind Untertitel, die auf Wiadomości, der wichtigsten Abendnachrichtensendung des polnischen öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP während des Präsidentschaftswahlkampfes des Landes, zu sehen sind. Während sich das Land mit der Coronavirus-Epidemie auseinandersetzt, hat sich die Aufmerksamkeit der Medien auf die Wahl verlagert, die ursprünglich für Mai geplant war, aber wegen des Virus schließlich verschoben wurde.
Wiadomości hat beträchtlichen Einfluss bei den Wählern: Mit fast 2,6 Millionen Zuschauern im Juni 2020 (etwas mehr als die Nachrichtensendung „Fakty” des privaten Fernsehsenders TVN) gehört es zu den beiden beliebtesten Abendprogrammen Polens. Als Nachrichtenprogramm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist es auch an seinen öffentlichen Auftrag gebunden, zu dem die Verpflichtung zur Unparteilichkeit gehört.
„Als Institution im Dienste der gesamten Gesellschaft nimmt TVP in ihren Programmen […] keine eigene Position ein. Sie vertritt keine eigenen Standpunkte zu politischen oder anderen Themen, die Gegenstand einer öffentlichen Debatte sind. Sie bevorzugt oder fördert keine Partei, Organisation, Gruppe oder Alternative. ”
Trotz dieser Mission ist die Berichterstattung von Wiadomości über die polnische Politik alles andere als unparteiisch. In den letzten viereinhalb Jahren hat das Programm die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die 2015 an die Macht kam, stark favorisiert. Das beinhaltete eine konstant regierungsfreundliche Erzählung, während gleichzeitig versucht wurde, ihre Kritiker, einschließlich der parlamentarischen Opposition, zu delegitimieren.
Dieses Muster hat sich während des polnischen Präsidentschaftswahlkampfes wiederholt, dessen erste Runde am 28. Juni stattfand, nachdem die ursprüngliche Wahl am 10. Mai wegen der Coronavirus-Epidemie nicht zustande kam. Da kein Kandidat über 50 Prozent lag, wurde die Wahl in einer Stichwahl am 12. Juli zwischen Andrzej Duda, dem von der PiS unterstützten amtierenden Präsidenten, und Rafał Trzaskowski, dem Bürgermeister von Warschau, dem Kandidaten der größten Oppositionspartei, der Bürgerplattform (PO), entschieden. Wie die obigen Schlagzeilen zeigen, hat Wiadomości über ihre Kampagnen auffallend unterschiedlich berichtet.
Duda wurde durchweg positiv als Verteidiger der polnischen Familie dargestellt, eine der Schlüsselbotschaften seiner Kampagne. Dies geschah durch Bildunterschriften und den von Wiadomości gesendeten Inhalt, aber auch durch die visuelle Sprache. Ein vierminütiges Segment mit dem Titel „Mobilisierung vor der Wahl” in der Ausgabe von Wiadomości vom 24. Juni, vier Tage vor dem ersten Wahlgang, zeigt Duda umgeben von einer Menge an Anhängern, mit warmen Farben und mitreißender Musik.
„Städte, Gemeinden und Dörfer, Millionen von Menschen, viele wichtige Themen und ein gemeinsames Ziel”, so die Stimme im Clip. „Stolz, Würde, Respekt, Geschichte und Tradition, Verantwortung, Glaubwürdigkeit, zu seinem Wort stehen”, heißt es weiter, durchsetzt mit Filmmaterial von Menschen, die sich positiv über Duda äußern.
Wiadomości dagegen hat Trzaskowski seit seiner Teilnahme am Präsidentschaftswahlkampf im Mai in einem negativen Licht dargestellt. Außerhalb des Wahlkontextes hat Wiadomości ihn in der Vergangenheit wiederholt in seiner Rolle als Bürgermeister von Warschau angegriffen. Dazu gehören auch Segmente, in denen er als „Elitekandidat” dargestellt wird, der die einfachen Polen außerhalb der Großstädte vernachlässigt oder verunglimpft. Ein am 29. Juni, am Tag nach der ersten Wahlrunde, ausgestrahltes Segment mit dem Titel „Der Präsident der Elite oder aller Polen?” stellt seine und Dudas Wahlveranstaltungen vom Vorabend gegenüber, um ersteren als unnahbar und letzteren als den gewöhnlichen Wählern nahe stehend zu zeigen. Das Material über Trzaskowski versucht stets, ihn zu diskreditieren, was im Zusammenhang mit der Wahl dazu dienen könnte, potenzielle Wähler zu demobilisieren oder sie zu überzeugen, stattdessen für Duda zu stimmen.
Die voreingenommene Berichterstattung von Wiadomości ist von polnischen und internationalen Gremien kritisiert worden. In Reaktion auf eine Beschwerde eines Zuschauers über das am 6. Juli veröffentlichte Segment über Duda vom 24. Juni erklärte der polnische Medienethikrat, dass „im Präsidentschaftswahlkampf die ‘Wiadomości’ von TVP1 ausschließlich ein Instrument der PiS-Propaganda ist, das darauf abzielt, Andrzej Duda zu fördern und seinen Gegner zu diffamieren”. Dieses Segment verstoße, wie die meisten anderen „Wiadomości” Inhalte gegen alle Prinzipien der Medienethik-Charta des Landes, fügte der Rat hinzu, der aber nicht befugt ist, den TVP zu sanktionieren.
In ihrer am 29. Juni veröffentlichten Erklärung über die vorläufigen Ergebnisse und Schlussfolgerungen nach dem ersten Wahlgang stellte die OSZE fest, dass der öffentlich-rechtliche Sender keine ausgewogene und unparteiische Berichterstattung gewährleistet habe. „Stattdessen diente er als Wahlkampfinstrument für den Amtsinhaber und stellte seinen wichtigsten Herausforderer häufig als Bedrohung für die polnischen Werte und nationalen Interessen dar”, hieß es darin.
Aus dem Englischen übersetzt von Julia Rieser