Nach der Ermordung von George Floyd und dem darauf folgenden landesweiten Protest gegen institutionalisierten Rassismus wurden amerikanische Journalisten Zeugen eines Wendepunkts in der Geschichte des Landes.
In einer Online-Diskussion, die gemeinsam vom International Press Institut (IPI) und der National Association of Black Journalists (NABJ) organisiert wurde, kamen vier prominente amerikanische Journalisten, Redakteure und Reporter zu Wort – Karen Attiah, Global Opinions-Redakteurin der Washington Post; Madison Carter, Reporterin bei den WKBW-TV 7 Eyewitness News in Buffalo, New York; Molly Hennessy-Fiske, Leiterin der Los Angeles Times in Houston, und Omar Jimenez von CNN – die die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Medienberichterstattung über „Black-Lives-Matter“ analysierten. Sie befassten sich nicht nur mit den aktuellen Herausforderungen für die Pressefreiheit und den Sicherheitsfragen bei der Berichterstattung über die Demonstrationen, sondern unterstrichen auch die immense Aufgabe, die der amerikanische Journalismus zu bewältigen hat, um den Gemeinden zu helfen, diesen Moment zu verstehen und zu bewältigen.
Zu Beginn der Diskussion gaben die Rednerinnen und Redner Einblicke in ihre Erfahrungen mit der Berichterstattung über die Black-Lives-Matter-Proteste. Hennessy-Fiske wurde schon sehr früh zusammen mit der Fotografin Carolyn Cole nach Minneapolis geschickt, um über Proteste auf einem Polizeirevier zu berichten. Dort setzte die Minnesota State Patrol Pfefferspray, Tränengas und Gummigeschosse gegen eine Gruppe von Reportern ein, obwohl es offensichtlich war, dass es sich um Journalisten handelte.
„Ich glaube, ich wurde mit einem Gummigeschoss am Bein getroffen und Carolyn wurde Pfefferspray ins Gesicht gesprüht“, sagte Hennessy-Fiske, die ihre traumatische Erfahrung als Frontjournalistin teilt. Wir mussten fliehen, in Deckung gehen und uns schließlich in Behandlung begeben. Ich habe aus vielen Ländern berichtet – zum Beispiel aus Ägypten und Mexiko – die dafür bekannt sind, dass die Polizei nicht nur gegen die Bevölkerung, sondern auch gegen die Journalisten vorgeht. Aber auf Basis normaler Dienstvorschriften, als ich in verschiedenen Teilen der USA bei anderen Protesten berichtet hatte, wurde ich nicht gejagt, nicht mit Gummigeschossen beschossen oder direkt ins Visier genommen. Offensichtlich haben sich die Dinge geändert“.
Omar Jimenez, ein Reporter für CNN, dessen Verhaftung während einer Berichterstattung über die Proteste einen gewaltigen Aufschrei in den USA und auf der ganzen Welt auslöste, sprach ebenfalls über seine Erfahrungen aus erster Hand. „Wir waren direkt vor dem 3. Bezirk gewesen. Innerhalb weniger Minuten wimmelte es von Polizeibeamten, die alle aus dem Weg schafften. Die Polizei hatte eine Linie gezogen, und wir waren außerhalb dieser Linie. Ehe wir uns versahen, waren meine Crew und ich eingekreist. Ich mache weiter, versuche zu berichten, und das Nächste, was ich von der Minnesota State Patrol höre, ist „Sie sind verhaftet“. Sie brachten mich weg. Mein Fotograf Leonel Mendez ließ die Kamera so lange wie möglich laufen. Wir waren etwa anderthalb Stunden in Gewahrsam, die ganze Zeit in Handschellen.“
Karen Attiah von der Washington Post meinte, dass die Auffassung, die USA seien ein sicherer Ort zum Arbeiten gewesen und die Angriffe seien etwas Neues, nicht ganz richtig ist. „Es war schon immer gefährlich, über die Vorherrschaft der Weißen und die Rassenungleichheit zu berichten“, stellte sie fest.
Sie hob auch Online-Angriffe auf Journalisten hervor. Auf die Frage hin, ob sich die Herausforderungen, denen sich Journalistinnen gegenübersehen, von denen ihrer männlichen Kollegen unterscheiden, meinte Attiah, dass Studien zeigen, dass schwarze Frauen mehr Online-Misshandlungen erfahren als weiße Frauen oder schwarze oder weiße Männer.
Darüber hinaus analysierten die Podiumsmitglieder die hohe Zahl von Verletzungen gegen die Pressefreiheit, die während der Black-Lives-Matter-Proteste in den USA stattgefunden haben und gaben einen Einblick, wie diese Verletzungen rückgängig gemacht und gestoppt werden können.
„In diesem Land ist die einzige oder die mächtigste Waffe, die wir als Journalisten haben, die Arbeit, die wir leisten. Es kommt jedoch auf die Menschen an der Macht an, die das Handwerk, das wir ausüben, respektieren müssen“, sagte Jimenez. „Was den Versuch anbelangt, die Herausforderungen der Pressefreiheit zu bewältigen, so kommt es auf die Infrastruktur der Organisationen an, die ihre Reporter unter allen Umständen unterstützen und ihre Freiheiten in Frage stellen. Es kommt auf die Solidarität unter den Reportern selbst an. Wir, unsere Organisationen und unsere Stimmen haben viel Macht, denn in vielen Fällen bringen wir Dinge an die Öffentlichkeit, die die Machthaber nicht sehen wollen.“
Madison Carter, die auch Präsidentin des Buffalo NABJ-Ortsverbandes ist, sagte, dass schwarze Journalisten jahrzehntelang als Helfer angestellt worden und dass die Nachrichtenredaktionen auf die Situation nicht vorbereitet gewesen seien.
„Ich war am ersten Tag der Proteste die einzige schwarze Reporterin unter allen Fernsehstationen in Buffalo, in einer Stadt, die zu 40 Prozent schwarz ist“, erzählte sie. „Ich blickte zurück und sah, dass die Geschichte und der Kontext fehlten.“
Mit Blick auf den Verhaftungsvorfall setzte Jimenez mit seinen Ausführungen auch ein Zeichen der Stärke.
„Trotz allem, was uns passiert ist, sind wir sofort wieder zurück hinausgegangen. Was wir beitragen, ist mächtiger als das, was Sie uns wegnehmen wollen.“ Wir wollten damit eine Botschaft senden: „Was sie getan haben, wird nicht in unseren Kopf gelangen und wird uns nicht aufhalten.“
Aus dem Englischen von Julia Rieser übersetzt