Mitte März, als die Zahl der Coronavirus-Fälle in ganz Europa anzusteigen begann, reagierte Kroatien rasch mit restriktiven Maßnahmen: Am 13. März wurde der nationale Notstand ausgerufen und am 19. März wurden alle nicht lebensnotwendigen Geschäfte geschlossen.
Journalisten gehörten zu den unverzichtbaren Arbeitern, die weiterhin jeden Tag zur Arbeit gingen und sich und ihre Familien Gesundheitsrisiken aussetzten. Doch anstatt für die Berichterstattung über die Gesundheitskrise gelobt zu werden, mussten die Medienmitarbeiter mit ansehen, wie sich ihre Arbeitsbedingungen weiter verschlechterten.
Unsicherheit als Beruf
Der kroatische Medienmarkt zeichnet sich durch eine starke TV-Präsenz, eine große Anzahl an Online-Portalen und einen seit Jahren rückläufigen Druckbereich aus. Neben der kroatischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt (HRT) – finanziert durch eine von den Zuschauern bezahlte Lizenzgebühr sowie durch den Staat – werden die Medien weitgehend durch Werbung und nicht durch Abonnements oder Unterstützung seitens der Leserschaft finanziert.
Bis 2016 war die Medienlandschaft vielfältiger und umfasste mehrere gemeinnützige, unabhängige Medien-Websites, die vom Staat finanziell unterstützt wurden. Nach der Wahl einer konservativen Regierung wurde das staatliche Finanzhilfeprogramm 2016 abgeschafft und nicht mehr eingeführt. Obwohl viele dieser gemeinnützigen Websites weiterhin existieren, kämpfen sie ums Überleben und sind von verfügbaren Zuschüssen, Subventionen und häufig von Journalisten abhängig, die akzeptieren, ohne Bezahlung zu arbeiten.
Finanzielle Sorgen und prekäre Arbeitsbedingungen waren schon vor der Pandemie die Hauptursachen für die Schwierigkeiten der kroatischen Medien. Ende September warnte die Gewerkschaft der kroatischen Journalisten, ein Verband, der sich für die Rechte von Journalisten einsetzt und seinen Mitgliedern kostenlosen Rechtsbeistand anbietet, davor, dass viele Führungskräfte in den Medien die Pandemie nutzten, um die Arbeitskosten der Journalisten weiter zu senken.
Den von der Gewerkschaft gesammelten und Anfang April veröffentlichten Daten zufolge, kündigte der kroatische öffentlich-rechtliche Sender all seine Verträge mit freiberuflichen Mitarbeitern auf. Hanza Media, eines der größten privaten Medienunternehmen Kroatiens, entließ 30 Angestellte, kürzte die Gehälter bei einigen Publikationen um 5 bis 25% Prozent und kündigte gleich zu Beginn der Pandemie eine Reihe von Verträgen mit Freiberuflern.
Journalisten, die in lokalen Medien arbeiten, sowie Freiberufler waren besonders stark betroffen. Die Gehälter der lokalen Tageszeitung Glas Istre (Voice of Istria) wurden um 50 Prozent gekürzt und auch die Gehälter einer der wichtigsten Lokalzeitungen des Landes, Novi List, wurden gekürzt. In einer Umfrage, die die Gewerkschaft der kroatischen Journalisten im April durchführte, hatten fast 29 Prozent der 164 befragten freiberuflichen Journalisten seit Beginn der Covid-19-Krise all ihre Aufträge (und 26 Prozent die meisten Aufträge) storniert bekommen.
Nach zweimonatiger Lobbyarbeit des Kroatischen Journalistenverbandes (HND) und der Gewerkschaft kroatischer Journalisten bestätigte das kroatische Kulturministerium am 20. Mai, dass die finanzielle Unterstützung für freiberufliche Journalisten, deren Einkommen seit Beginn der Pandemie gesunken war, gesichert sei.
„Journalisten sind Würmer”
Niedrigere Einkommen und prekäre Arbeitsbedingungen sind jedoch nicht die einzigen Bedrohungen, denen kroatische Journalisten ausgesetzt sind. Nach wie vor kommt es zu Angriffen oder Schikanierungskampagnen gegen Journalisten.
Als am Ostersonntag, dem 14. April, ein Journalist der lokalen Nachrichtenwebsite Dalmatinski Portal und ein Kameramann des Fernsehsenders N1 versuchten, über eine Ostermesse in einem Vorort der Stadt Split (der zweitgrößten Stadt Kroatiens) zu berichten, die trotz des landesweiten Versammlungsverbots abgehalten wurde, wurden sie von mehreren Kirchgängern körperlich angegriffen. Später am Tag fand in demselben Vorort eine Kundgebung von maskierten, schwarz gekleideten Demonstranten statt, die den Priester unterstützten, der die Messe organisierte. Die Demonstranten hielten ein Transparent mit der Aufschrift „Journalisten sind Würmer”. Der kroatische Innenminister Davor Božinović verurteilte die Angriffe in einer Pressekonferenz am 12. April. Ähnliche frühere Vorfälle verbaler und physischer Misshandlungen hatten jedoch keine Reaktion der Behörden hervorgerufen.
Politische Einmischung in die Arbeit des öffentlichen Rundfunks, HRT, ist ebenfalls üblich. Der „Media Pluralism Monitor”, der Bedrohungen des Medienpluralismus und der Medienfreiheit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union und einigen Beitrittsländern aufzeigt, teilt diese Einschätzung. Im Bericht 2020 des Monitors wird festgestellt, dass „Kroatien ein anschauliches Beispiel für ein Land ist, in dem es systematische Fälle politischer Einmischung in die Ernennung und Entlassung von Chefredakteuren gibt, insbesondere im Hinblick auf den öffentlichen Rundfunk (HRT), und dass es weder wirksame regulatorische Schutzmaßnahmen noch eine effiziente Selbstregulierung gibt, um diese Einmischung zu verhindern”.
Darüber hinaus schützen die geltenden Gesetze Journalisten nicht ausreichend vor Strafverfahren wegen Beleidigung und Verleumdung oder vor Zivilverfahren (so genannte SLAPP-Klagen – Strategische Klagen gegen die Öffentlichkeitsbeteiligung). „Die allgemein hohe Anzahl an Klagen gegen Journalisten bestätigt die Annahme, dass SLAPP zu einem systemischen Problem geworden ist, das sich negativ auf die Medienfreiheit in Kroatien auswirkt”, so eine Studie des Akademischen Netzwerks für Europäische Bürgerrechte.
Im Mai 2020 stellte der Kroatische Journalistenverband fest, dass in Kroatien mindestens 905 Klagen von Politikern, Geschäftsleuten und anderen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gegen Journalisten laufen.
Noch besorgniserregender ist die Tatsache, dass der öffentlich-rechtliche Sender auch gegen einige seiner eigenen Journalisten und den kroatischen Journalistenverband (HND) wegen „Rufschädigung und Schädigung des guten Rufs des Senders” bereits 2018 Klage erhoben hat. Der angebliche Schaden bezieht sich auf eine Erklärung, in der sich einige HRT-Journalisten, die auch Mitglieder des HND sind, von verschiedenen Skandalen des nationalen Senders distanzierten.
Der Präsident HNDs, Hrvoje Zovko, war einer der vom Sender verklagten Journalisten. Am 25. August 2020 lehnte ein Bezirksgericht eine Berufung HRTs (gegen ein Urteil aus dem Jahr 2019, in dem festgestellt wurde, dass Zovko unrechtmäßig entlassen worden war) ab und entschied, dass Zovko „innerhalb von acht Tagen als Redakteur-Koordinator wieder eingestellt und für entgangene Einnahmen und Zinsen entschädigt werden muss”. Aber die juristische Saga endet hier noch nicht: HRT kündigte an, beim Obersten Gerichtshof Berufung einzulegen.
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