Das International Press Institute (IPI) hat am 25.03.2022 einen neuen Bericht über die Freiheit und Unabhängigkeit der Medien in Bulgarien veröffentlicht. Der Bericht untersucht die Vereinnahmung von Medien („media capture“) durch Interessengruppen aus Wirtschaft und Politik und die korrumpierende Beziehung zwischen Medieneigentümern und Politikern, die um Macht und Profit konkurrieren.
Der Bericht stellt fest, dass sich die Geschichte der Vereinnahmung der Medien in Bulgarien vom klassischen ungarischen Modell unterscheidet, dessen Wirkungsmechanismus nur wenig verschleiert ist. Das bulgarische Bild ist unübersichtlich düsterer, verursacht durch einen Mangel an Informationen über die Eigentums- und Geschäftsinteressen der beteiligten Schlüsselpersonen in einem Land mit dem höchsten Maß an Korruption und organisierter Kriminalität in der EU. Dies schafft eine zusätzliche Komplexität der Materie rund um konkurrierende Machtzentren, in die sich die Medien und Politiker verstrickt haben.
Verschleierte Netzwerke
Bulgarien gilt als das korrupteste Land der Europäischen Union mit Machtkämpfen zwischen konkurrierenden Politikern, Oligarchen, Medienmogulen und dem organisierten Verbrechen mit dem Ziel, die Kontrolle über staatliche Institutionen wie Gerichte, Staatsanwälte und Medienregulierer zu gewinnen. Das Ergebnis ist ein Netz von Gerüchten und politischen Skandalen, von Bankenzusammenbrüchen, öffentlichen Protesten und politisierter Strafverfolgung.
In diesem Kampf um die Macht werden die Medien benutzt und als Waffe für die Durchsetzung privater und politischer Interessen eingesetzt, auch indem sie ihre jeweiligen Rivalen verleumden. Seriöse unabhängige Medien, die in der Lage sind, außerhalb dieses korrupten Sektors investigativen Journalismus zu betreiben, werden von denen ins Visier genommen, die sie entlarven. Sie werden entweder mit schikanösen Privatklagen überzogen oder durch erfundene Anklagen politisierter Staatsanwälte vor Gericht gebracht.
Die Korruption von Politik und Medien scheint Hand in Hand zu gehen. So wie Medienbesitzer ihren Einfluss nutzen, um politische und geschäftliche Gefälligkeiten zu gewinnen, nutzen Politiker ihre Macht, um die Medien in die Knie zu zwingen. Entscheidend ist, dass sich alles hinter einem verschleierten Netzwerk von Oligarchen und ihren konkurrierenden Allianzen und Rivalitäten verbirgt.
Das System wird durch korrupte politische und juristische Institutionen, den Missbrauch staatlicher Ressourcen, kompromittierte öffentlich-rechtliche Medien und Medienregulierungsbehörden, eine instrumentalisierte Justiz und einen Mangel an Transparenz über die Eigentumsverhältnisse von Medien, der durch schwache Gesetze und den Einsatz von Briefkastenfirmen begünstigt wird, ermöglicht.
Chance auf Reformen
Dieses düstere Bild offenbart, wie die Befugnisse des Staates missbraucht werden, um die öffentlich-rechtlichen Medien zu schwächen, private Medien unter Druck zu setzen, unabhängige investigative Medien zu verfolgen und politische oder kritische Rivalen zu verleumden.
Bulgariens neuer Premierminister Kiril Petkov hat geschworen, die Korruption im Land zu beseitigen und sich bereits verpflichtet, alle an die bulgarischen Medien gerichteten öffentlichen Gelder vollständig transparent zu machen. Dies ist ein wichtiger erster Schritt. Der Bericht legt allerdings dar, dass die Regierung viel weiter gehen muss. Sie muss die volle Transparenz der Eigentumsverhältnisse an den Medien gewährleisten, sie muss die Kultur der politischen Einmischung in die Medien beenden und insbesondere völlig unabhängige öffentlich-rechtliche Medien gewährleisten. Und sie muss die Verfolgung des unabhängigen Mediensektors beenden, der sich der Untersuchung und Aufdeckung von Korruption widmet. Der Bericht enthält wichtige Empfehlungen dazu.
Klicken Sie hier, um den vollständigen Bericht herunterzuladen.
Der Bericht wurde von der Medienexpertin Boryana Dzhambazova verfasst und im Rahmen der IPI-Kampagne über die Vereinnahmung von Medien veröffentlicht. Es ist Teil der Media Freedom Rapid Response (MFRR), einem Projekt, das Verletzungen der Presse- und Medienfreiheit in den EU-Mitgliedstaaten und den Kandidatenländern verfolgt, überwacht und darauf reagiert. Es wird durch Mittel der Europäischen Kommission und der Friedrich-Naumann-Stiftung unterstützt.